Die Iren kommen
Wie prognostiziert ist keine größere Anzahl Nordiren (bzw. Briten) in das Grant House eingezogen. Im Elms Village (vergleichbar mit der Studentenstadt in München) hingegen war am Wochenende große Anreisewelle, inkl. Versicherungsvertretern, bei denen man gleich die allergünstigste Hausratversicherung abschließen kann. Die beiden Iren hier im Haus reden übrigens gar kaum Slang, nur etwas schnell, denn Martin spricht seinen Namen so schnell, dass man ihn für “Mark” halten könnte. Ich bin überrascht, wie schnell man sich trotzdem an das tägliche Englisch gewöhnt.
Etwas ungewohnt ist es hingegen, mit den zahlreichen Deutschen hier zu kommunizieren. Man ist ganz hin- und hergerissen, wenn nur Deutsche anwesend sind, ob man einfach weiter Englisch spricht oder, weil man einander ja versteht, wieder ins Deutsche wechselt.
Für den Fall, dass wir es mit richtigem Slang zu tun bekommen, gab es letzte Woche auch ein Quiz über irische Begriffe. So kann man, wenn man die Bedürfnisanstalt sucht, nach dem “bog” fragen. Oder jemanden “mucker” nennen – wir hielten das für eine Beleidigung, aber tatsächlich bedeutet es etwa “Kumpel”. “Dead on” hat auch nichts mit “dead” zu tun, sondern heißt so viel wie “sehr gut”, “perfekt”. Wie man hier hingegen “How are you?” korrekt ausspricht, kann ich leider schriftlich nicht reproduzieren, dazu klingt es einfach zu seltsam.1
Im Web finden sich außerdem zahlreiche Seiten mit irischen Begriffen. Ganz brauchbar (weil umfassend) erscheint mir slang.ie. Eher auf das Fluchen konzentriert sich hingegen irishslang.net (wie das Motto “Learn to swear like the feckin’ oirish!” schon sagt).
Besagter Martin war übrigens besorgt, dass sich mein Englisch durch seinen/diesen Einfluss noch verschlechtern könne.
Das Grant House
Das Grant House ist ein Altbau, nur wenige Minuten vom Lanyon Building entfernt. Es gibt drei Etagen, auf denen jeweils 16 Studenten (oder 17? So genau weiß ich es nicht) wohnen und sich dementsprechend auch die Küchen teilen. Da es größtenteils Internationale sind, ist das recht praktisch, denn so kann man der Reihe nach mal internationale Küche genießen.
So geschehen letzte Woche, wo wir deutsch und indisch gekocht haben. An einem Abend gab es Kässpätzle, die in Ermangelung einer Spätzlehobel mit dem Messer vom Brettchen geschabt werden mussten. Die ganze Aktion hat dann auch bloß drei Stunden gedauert, weil zehn (gegen Ende der Kocherei dann doch sehr hungrige) Leute zu sättigen waren. Als Dessert wurden von einem Franzosen fachmännisch Crêpes zubereitet, was den positiven Nebeneffekt hatte, dass ich jetzt endlich auch das Wenden durch Werfen beherrsche.
Am Samstag hingegen wurde indisches Ei-Curry zubereitet. Die Zutaten stammten überwiegend aus einem asiatischen Supermarkt (beim Einkaufen war ich aber leider nicht dabei), so dass ich auch nicht genau weiß, was alles drin war. Ganze gekochte Eier auf jeden Fall. Und einige sehr scharfe Chili-Schoten. Nun, die Milch stand bereit.
Auch in der Nähe ist die große Studentenwohnsiedlung “Elms Village”, deren Rezeption sich um alle Dinge betreffs der Wohnung kümmert. Die kurze Entfernung ist sogar sehr gut, denn: Wir nutzen hier keine Schlüssel, sondern schließen die Türen mit Keycards auf. Aus irgendwelchen Gründen lassen die sich besonders gut vergessen, oder man sperrt sich aus etc.; jedenfalls muss man dann zur Elms-Rezeption, um sich eine neue geben zu lassen. Ist glücklicherweise sehr günstig, man bezahlt gerade mal 50 Pence. Das weitaus größere Problem ist, wenn einem die fehlende Karte nach dem Duschen auffällt. Soll wohl alles schon passiert sein.
Letztens gab es auch die obligatorische Einweisung durch unseren sogenannten Residential Assistant (eine stimmige Übersetzung fällt mir nicht ein, eher etwa: “Wohnheimsbetreuung”). Jene Studentin wohnt auch im Grant House und ist vermutlich jünger als wir alle. Dieses Wohnheim ist übrigens eine “Nicht-Alkohol-Unterkunft”, was – für die meisten Leser keine Überraschung – keinerlei Einschränkung für mich darstellt. Irgendwann wird es dann mal noch eine Feuerübung geben, wo alle innerhalb von drei Minuten das Gebäude verlassen haben müssen. Letzes Jahr, so unsere Betreuerin, habe das nicht auf Anhieb geklappt. Die Übung sei sechsmal wiederholt worden.
Achtung, hier hat jemand mitgedacht
Na, wer findet den Fehler? So sehen hier alle Waschbecken aus, auch das in meinem Zimmer. In der Küche mag das ja noch gehen, aber sich im Zimmer zwischen kaltem und heißem Wasser entscheiden zu müssen, erscheint mir nicht gerade sinnvoll.
Was man sich bei diesem Wohnheim gedacht hat, fragt man sich auch bei der Tatsache, dass die Türen mit Keycards geöffnet werden, aber im Bad die Beleuchtung mittels Strick an- und ausknipst wird.
Dabei hatte es doch so gut angefangen
Die Überschrift sagt es: Seit heute morgen regnet es schon. In den letzten Tagen war es dagegen sehr freundlich, beim Stadtrundgang sogar wolkenlos. Dann will ich mal jetzt die Zeit nutzen, um noch über ein paar kleine Dinge zu schreiben.
Dieses Brot. Alles, was man hier bekommt, fühlt sich wie Toastbrot an und sollte wahrscheinlich auch getoastet werden. Was hier als “wholemeal” (Vollkorn) bezeichnet wird, würden wir vermutlich unter Weißbrot einordnen. Man sagte mir, es gäbe Lidl-Filialen in Belfast, aber die sind alle nicht in Laufweite. Und für Brot mit dem Bus zu fahren ist mir zu doof.
Heute sollte es eigentlich Ulster Fry in der Student’s Union geben, aber da der Gaskocher nicht funktionierte, mussten wir kurzerhand woanders hingehen. Das irische Frühstück wollte ich mir nicht entgehen lassen, daher gab es Sausage rolls.2
Bevor ich nach Belfast geflogen bin, erreichte mich eine E-Mail, die unter anderem folgendes enthielt:
Heute stand in der TLZ, daß in Belfast eine Rohrbombe gefunden wurde. Na, Du bist ja noch nicht dort.
Bisher konnte ich aber noch keine unsicheren Stellen in der Stadt ausfindig machen. Hier im Universitätsviertel braucht man nichts zu befürchten, zu mal sehr viel mit Security (fast jeder kleine Laden hat einen “Aufpasser”) und Überwachung gearbeitet wird. Die Briten haben da ohnehin eine seltsame Einstellung: an jeder Ecke, auch an Straßen, sind Kameras. Schön ist das nicht.
Bei der Anmeldung zur Unterkunft konnte man gleich ein “Kitchen Pack”, bestehend u. A. aus Besteck und Geschirr, bestellen. Worüber natürlich keiner nachgedacht hat ist, dass von den über 10 Leuten hier im Flur, die sich eine Küche teilen, jeder exakt das gleiche Zeug erhalten hat und wir jetzt 10 kleine Töpfe, aber keine Pfanne haben.
In jenem Küchenset war auch ein Tuch zum Abtrocknen dabei. Dummerweise hat das eine Saugkraft von 0, so dass Sylvester und ich uns aufmachten, bessere zu besorgen. (Läden haben hierzulande auch sonntags geöffnet.) In einem der aufgesuchten Geschäfte gab es auch nichts besseres, dafür aber Musik, die ich schon seit zehn Jahren nicht mehr gehört habe: Modern Talking. Ich meine, das ist in Deutschland schon nicht mal mehr gesellschaftlich akzeptiert.
Wir wurden dann übrigens woanders fündig. In einem Laden, wo zwar dezente Musik gespielt wurde, es aber nach 35871 verschiedenen Parfüms roch. Ich hasse es, einzukaufen.
Change Button
Ein mysteriöses Schild mit der folgenden wundervollen Aufschrift prangt über dem Herd in unserer Wohnheimsküche:
Fan Timeclock to
operate self
cancelling override
press change button
Kann mir mal jemand erklären, was das heißen soll?
Gschichten ausm Wohnheim
Bei uns in der Küche geht ständig etwas kaputt; neulich einer der Herde.3 Jetzt sollte der auch getauscht werden, dummerweise war es dieses Mal nicht das Kombigerät (links auf dem Bild) sondern nur die Herdplatten (rechts). Nicht wissend, was er dann mit dem falschen Austauschgerät machen soll, ließ der Monteur ihn einfach in der Mitte des Raums stehen. Von dort wurde es mittlerweile in eine Ecke gerückt und steht schon seit einigen Tagen herum.
Eine Etage tiefer hingegen hat sich folgendes zugetragen: Ein Bewohner, wieder einmal von Stromausfall geplagt,4 hat seinen Arbeitsplatz inklusive Laptop in den Gemeinschaftsraum verlegt. Als er für längere Zeit abwesend war, hat er sein Gerät per Schloss am Tisch befestigt. Die Schlüssel lagen dummerweise in Frankreich.
Fire Drill
Wie angekündigt gab es heute eine Feuerübung. Innerhalb von drei Minuten sollte das Gebäude geräumt sein. Habe also schön meinen Laptop in den Standby-Modus versetzt, Jacke angezogen (es wird langsam ungemütlich draußen) und bin zum Notausgang raus gegangen. Dort stand dann auch unsere Residential Assistent mit einer Liste, auf der man sich gleich eintragen musste.
Auf die Beendigung der Zimmerkontrolle wartend, kam nur wenige Minuten später die unschöne Nachricht: Da hat doch jemand den Feueralarm (unerlaubt) abgestellt. Außerdem haben ganze 4 (in Worten: vier) Bewohner es nicht für nötig gehalten, bei dieser Übung mitzumachen. Natürlich muss deswegen die Übung wiederholt werden.
Dann wollen wir mal hoffen, dass ich bei der nächsten Übung nicht unvorteilhaft unter der Dusche stehe, oder so. Und dass im Ernstfall nicht sowas passiert.
Besagter Student, der beim Abstellen des Feuermelders erwischt worden ist, wurde zu einer Anhörung bestellt. Die Höchststrafe dafür sind 500 £, nach der Anhörung wurde aber seine Strafe auf 100 £ festgesetzt. Von einem Teil der Ersparnis wurde uns ein leckeres Mahl zubereitet. Auch gut.
Intelligente Planung
Hintergrundwissen: Wir verwenden im Wohnheim keine Schlüssel, sondern ein technisch bis ins kleinste Detail ausgeklügelte Schlüsselkartensystem, was es einem nicht einmal erlaubt, in ein anderes als sein eigenes Stockwerk zu gelangen. Unschön, denn die meisten Leute, die ich kenne, wohnen eine Etage tiefer. Aber – Not macht ja bekanntlich erfinderisch – man kann ja auch Papier in den richtigen Schlitz stecken, so dass der Riegel einfach nicht zuschnappt. Bitte nicht weitersagen, es hat nämlich noch keiner mitbekommen.
Nun denn. Folgende E-Mail erreichte mich kürzlich von der Wohnheimsverwaltung:
To all residents of Elms Village,
We are currently running out of our printed room key cards. If you have any old key cards in your room we would greatly appreciate it if you could return them to Elms Reception.
Many thanks
Reception Staff
Freie Übersetzung: Zu viele Leute haben sich ausgesperrt und sich an der Rezeption eine neue Schlüsselkarte geholt. Von diesen Leuten haben aber entweder a) zu viele ihre Karte verloren oder b) keinen Anlass gesehen, die alte Karte wieder zurückzubringen. Daher gibt es gerade eine Kartenknappheit für alle zukünftigen Sich-Aussperrer. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die richtige Karte zurückzubringen. Neulich passiert: Jemand hat sich eine neue Karte geben lassen und dann die neue zurückgebracht. Zu dumm, dass die alte Karte deaktiviert wird.
Wahrscheinlich ist der Kartenmangel also Resultat fehlenden Leidensdruckes5 – kostet ein Austausch doch gerade mal 50 Pence und erst ab dem zehnten Fall 20 £.
Ausgesperrt habe ich mich übrigens auch schon einmal. Es lief aber noch relativ glimpflich ab, denn ich musste nicht mit Bademantel zur Rezeption laufen.
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Zumindest so ähnlich wie “Hi-arr-ye”. ↩
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In Deutschland würde man vielleicht “Gehacktes im Schlafrock” sagen. ↩
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Nein, nicht die Ansammlung von Tieren, sondern der Plural von “Herd”. ↩
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Der Strom in einzelnen Zimmern fällt häufig aus. Entweder wurden die Steckdosen zu sehr belastet oder die Sicherungen sind einfach zu alt. ↩
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Ob das korrekt dekliniert ist? ↩