Ein Semester in Belfast: Erfahrungen meines Auslandssemesters

Universität

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Inhaltsübersicht 📜
  1. Universität
  2. Ausflüge
  3. Kultur
  4. Wohnheim
  5. Verschiedenes
  6. Bürokratie
  7. Abschied

Diese Serie enthält gesammelte Texte aus meinem Blog aus der Zeit vom September 2010 bis zum Januar 2011, während der ich ein Austauschsemester an der Queen’s University of Belfast absolvierte. In meinem Blog habe ich für Familie, Freunde und Bekannte meine Eindrücke und Erfahrungen festgehalten. Zur gleichen Zeit studierte auch noch ein Münchner Kommilitone in Belfast, ein weiterer in Newcastle und ein Freund aus Heidelberg in Durham. Von jenen wird im folgenden auch das ein oder andere Mal die Rede sein. Die Texte sind hier nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge wiedergegeben, sondern thematisch gruppiert. Insofern habe ich einige kleine Änderungen vorgenommen, um logische Sprünge zu vermeiden.


Angekommen

Am Dienstag (14.09.) flog ich von Frankfurt über Heathrow nach Belfast, wo ich mit über einer Stunde Verspätung dann gegen Abend ankam und gemeinsam mit anderen internationalen Studenten zur Unterkunft gebracht wurde. Sylvester und ich wohnen im Grant House, welches ca. 10 Minuten vom Hauptgebäude der QUB entfernt ist.

Derzeit findet das “International Students Orientation Programme” statt; die eigentlichen Einführungstage beginnen aber erst nächste Woche, so dass im Prinzip nur internationale Studenten auf dem Campus und in den Wohnheimen zu sehen sind. Im Grant House wird das vermutlich auch so bleiben. Schon jetzt sind allerdings viele Nationen vertreten: Polen, Kanada, Spanien, USA u. v. m.

Heute gab es verschiedene Vorträge zu Themen wie “Culture Shock”, “Living in Belfast” (interessant), aber auch “Keeping Healthy” und “Safety” (uninteressant). Es gab gute Gelegenheiten, mit anderen Internationalen ins Gespräch zu kommen, sehr oft auch auf Deutsch, was meist mit dem folgenden Dialog begann: “Where are you from?” – “I’m from Germany. And you?” – “Gut, dann können wir ja auf Deutsch weiterreden.”

Morgen wird dann anhand meiner Kurswahl mein Stundenplan ausgestellt; dann wird es auch einen QUB-Studentenausweis geben. Allgemein ist aber die Einführungszeit für Internationale an einigen Stellen nicht wirklich durchdacht, z. B. gibt es drei verschiedene “Welcome Packs” (mit mehr oder weniger sinnvollem Inhalt).

Für deutsche Verhältnisse sehr ungewöhnlich ist die Mittagsversorgung. Es gibt keine offizielle Mensa mit studentenfreundlichen Preisen, jedoch einige Bistros/Cafés im näheren Umkreis, die es noch nach Preis/Leistung einzuordnen gilt. Für ein durchschnittliches Mittagessen muss man aber schon um die 3 bis 4 £ einplanen.

Soweit ich bisher beurteilen kann, war es die richtige Entscheidung, für ein paar Monate ins Ausland zu gehen. Es gefällt mir recht gut und ich warte gespannt, was mich die nächsten Tage so erwartet. Das einzige, was mich hier wirklich sehr verwirrt, ist der Straßenverkehr. Als ob man in den Spiegel schauen würde.

Nicht in Idaho

Heute war Formalia-Tag, so zumindest fühlte es sich an. Zunächst war da das Treffen mit dem “Departmental coordinator”, also dem Erasmus-Beauftragten der Fakultät, in meinem Falle ein freundlicher Herr von der School of Electronics, Electrical Engineering and Computer Science. Das verlief problemlos; ich kann alle Kurse, die ich ausgesucht hatte, auch belegen.

Der zweite Teil war dann die offizielle Immatrikulation an der QUB. Ich bin jetzt stolzer Besitzer eines QUB-Studentenausweises. Weil der Gesamtvorgang ziemlich kompliziert ist, wird man von einem Mitarbeiter assistiert. Beispiel: Als Erasmus-Student muss bei mir die Heimatuniversität (TU München) angegeben werden. Da nun diese im System offenbar nicht erfasst war, schlug genannter Assistent vor, ich solle einfach “University of Idaho” – seine eigene Heimatuniversität – eintragen. Ist jetzt nicht ganz so in der Nähe von München, aber egal. Mal sehen, was ich mir damit eingebrockt habe. (Wie sich später herausgestellt hat, wurde diese Angabe nicht geprüft und auch für nichts verwendet. Meine Zeugnisse sind jedenfalls in München angekommen.)

Trotzdem habe ich festgestellt, dass die Leute hier sehr freundlich und hilfsbereit sind. Für meinen Bafög-Antrag brauche ich ein spezielles Formular vom Amt, was hier ohne zu murren ausgefüllt wurde, obwohl es nicht zur Standardprozedur gehört.

Queen’s Campus

Das erste der drei Bilder zeigt das “Lanyon Building”, das Hauptgebäude der Queen’s University Belfast, benannt nach dessen Architekten Sir Charles Lanyon, zu sehen. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert stellt den Mittelpunkt des weitläufigen Campus dar. Laut Übersichtskarte besteht dieser aus über 40 Gebäuden. Darunter befindet sich auch ein Kuriosum: Alle Häuser der Nordseite einer Straße (University Square, ca. 200 m) wurden von der Universität aufgekauft und durchgängig begehbar (d. h. Wanddurchbruch) gemacht. In diesem Hausreihen-Haus sind nicht nur einige Lehrstühle, sondern auch z. B. das Uni-Kino untergebracht.

Weitere Anlagen in Laufweite sind u. a.

Ab dieser Woche wird gelernt

Die letzten beiden Wochen waren ja ganz nett: Dienstag Ankunft, ab da jede Menge Veranstaltungen für die Internationalen. Dann im Wesentlichen faulenzen. Aber damit hier nicht der Eindruck entsteht, ich wäre nur zum Spaß hier, will ich mal auflisten, was mich ab jetzt so erwartet.

Rückblick: Mit dem Erasmus-Koordinator der Fakultät hatte ich mich ja schon getroffen und meine Kurse festgemacht. Diese müssen nämlich schon in Deutschland ausgesucht, von zwei Zuständigen an der sendenden Institution abgenickt, dann hierher mitgebracht, in der Regel auch ohne Änderungen abgenickt (manchmal aber nicht, dann braucht man ein Änderungsformular zum “Learning Agreement”) werden; schließlich muss das Dokument zum hiesigen “International Office” gebracht werden, die 3 Werktage zum Unterzeichnen brauchen und dann wird es per Post wieder auf den Weg nach Hause gebracht. Wenn dann nichts dazwischen kommt, werde ich hoffentlich noch dieses Jahr mein Erasmus-Stipendium (wobei man es eher “Zuschuss” nennen kann, denn viel ist es nicht) erhalten. Nebenbei müsste ja mein nunmehr vollständiger Bafög-Antrag auch schon beim zuständigen Amt angekommen sein, da kann es sich also auch nur noch um Monate handeln.

Doch nun zu meinen Kursen. Ausgesucht habe ich mir:

Insgesamt sind das 13 Stunden pro Woche, davon 2, die ich nicht wahrnehmen kann, weil es Überschneidungen gibt. Das ist natürlich relativ wenig Zeit, daher muss ich mir noch überlegen, was ich in der restlichen Zeit mache.

Freizeit

Mein Stundenplan ist ja zugegebenermaßen nicht sonderlich gefüllt. Daher habe ich eine Arbeit an der Universität angenommen und betreue dabei Erstsemester-Studenten. Zu diesem Zwecke stehe ich zu den Übungszeiten als Tutor für eine kleine Gruppe von sechs Studenten zur Verfügung und werde außerdem die Hausaufgaben korrigieren. Entlohnt werde ich dafür mit 11 £ pro Stunde (ein nettes Sümmchen) bei zwei bis vier Stunden Arbeit pro Woche. Am Ende des Semesters sollen alle die Grundlagen von Java beherrschen. Den Kursunterlagen nach zu urteilen werden in diesem Kurs aber keine hohen Standards angelegt — es handelt sich nur um die imperativen Strukturen von Java, Objektorientierung wird etwa gar nicht abgedeckt. Vermutlich kommt das dann im zweiten Semester.

Ehemaliger Student verklagt Universität

Ein ehemaliger Student der Queen’s University zieht vor den High Court, um eine Revision seiner Note zu erreichen. Seinen Abschluss bekam er mit der Note 2:2 (“Lower Second Class”, etwa “untere zweite Klasse”), aber er behauptet, dass er mit besserer Betreuung eine höhere Notenstufe hätte erzielen können. Einen entsprechende Einspruch hatte er bei der Universität gestellt, die diesen aber ablehnte, weil er seinen Abschluss bereits fertiggestellt hat. Diese Haltung sei nicht mit den Menschenrechten seines Mandanten vereinbar, so der Anwalt zur Begründung der Klage.

Einen länglichen Kommentar dazu erübrige ich mir jetzt. Nur so viel: Wenn das Erfolg hätte, dann kann sich die Uni schon mal auf mehrere Anliegen dieser Art vorbereiten. Na, vielen Dank auch.

Korrigieren

Ich gehöre ja seit Anfang des Semesters auch hier zur arbeitenden Bevölkerung. Diese Woche gab es die ersten benoteten Übungen, auf drei Termine verteilt (offenbar wurden teilweise die gleichen Aufgaben gestellt; wie clever). Meine Studenten hatten recht gute Fortschritte in den ersten drei Wochen gemacht, deswegen war ich auch recht zuversichtlich, was die Leistung anbelangt.

Nun, das Ergebnis war eher durchwachsen. Von 30 möglichen Punkten hatte ich alles zwischen 10 und 21,5. Dabei habe ich offenbar nicht mal sehr hart korrigiert, von anderen Tutoren habe ich etwas von 4 Punkten gehört. Da stellt sich doch glatt bei mir auch das Korrigier-Syndrom ein, wo es einem bei einigen Arbeiten doch Leid tut, da den Punkt abziehen zu müssen. Das gehört aber wohl dazu.

Gröber enttäuscht bin ich aber von der Übungsleitung. Die Musterlösung hat einen offensichtlichen Fehler. Zwei Studenten musste ich deswegen einen Punkt abziehen, habe mich aber zusätzlich erkundigt, ob die Musterlösung korrigiert würde. Stellt sich heraus, dass das nicht gemacht wird, denn die Vorlesungsfolien sind an der Stelle auch falsch und Korrekturbedarf wird da wohl nicht gesehen.

Quellennachweis